Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: David Lanius

David Lanius

Postdoc am Philosophie-Department des Karlsruher Instituts für Technologie  

Was würden Sie gern besser können?

Wie vermutlich die meisten Philosoph*innen bin ich ein rechter Besserwisser. Unter den zahllosen Tugenden, von denen ich gern mehr hätte und zu wenig habe, wäre eine ordentliche Portion epistemische Bescheidenheit ganz wunderbar erfrischend.

Welchen Rat hätten Sie gern zu Beginn Ihrer Laufbahn erhalten?

Wenn mir eine vertrauenserweckende Stimme im ersten Semester meines Studiums zugeflüstert hätte: „David, das Gefühl, etwas zu verstehen, und etwas tatsächlich zu verstehen, sind nicht dasselbe. Du musst deine Gedanken klar und präzise formulieren – erst dann kannst du prüfen, ob das, was du denkst, überhaupt Sinn ergibt!“ Einen solchen Ratschlag hätte ich mir (zumindest im Nachhinein) sehr gewünscht. Mit ein wenig Glück hätte ich dann nicht gar so viel Zeit darauf verwendet, mir beim Lesen von Hegel und Heidegger einzubilden, ich würde etwas verstehen.

Wie halten Sie es mit der Religion?

Neugierig, häufig verwundert und manchmal befremdet – stets mit einem gehörigen Maß an Ehrfurcht vor den Möglichkeiten menschlicher Vorstellungskraft.

Was stört Sie an der akademischen Philosophie?

Die Besserwisser.

Hilft Expertise in Ethik, ein besserer Mensch zu werden?

Ich wünschte, es wäre so. Doch wenn man sich die akademischen Moralphilosoph*innen ansieht, wird man geneigt sein, die Frage zu verneinen. Auch bei mir sehe ich sehr deutlich, wie weit Theorie und Praxis letztlich doch auseinandergehen – und wie ich mit meinen utilitaristischen Idealen täglich an der Wirklichkeit scheitere. Doch vielleicht liegt das ja auch daran, dass ich (noch) kein Experte bin.

Was spricht gegen Philosophenkönige?

Alles – auch mir selbst als Philosophenkönig würde ich keinen Meter weit trauen. Nur durch kollektive Deliberation können wir individuelle Denkfehler, Irrtümer und Charakterschwächen systematisch korrigieren, um wenigstens die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass politische Entscheidungen am Ende des Tages gute Entscheidungen werden.

Gibt es philosophischen Fortschritt? Wenn ja, was ist ein gutes Beispiel dafür?

Unbedingt. In dieser Hinsicht bin ich ein unverbesserlicher Optimist. Ein gutes Beispiel ist sicherlich die Präzision in der Formulierung von Thesen und Argumenten in der akademischen Philosophie, die im Laufe der Jahre immer weiter zugenommen hat. Dadurch steigt die Qualität der Debatte und damit auch die Menge an Erkenntnissen, die wir daraus generieren können.

Was ich noch sagen wollte:

Bei all dem Gerede von Postfaktizität, Fake News und Spaltung der Gesellschaft: Zumindest in Deutschland ist die Demokratie vermutlich noch nicht ernsthaft in Gefahr. Dennoch denke ich, dass unsere demokratischen Entscheidungen auf einem deutlich rationaleren Fundament stehen könnten. Und hier sind gerade auch wir Philosoph*innen in der Verantwortung, uns in öffentliche Debatten einzubringen. PhilPublica ist aus meiner Sicht ein wunderbarer Schritt in die richtige Richtung. Doch es sind nicht in erster Linie philosophische Inhalte, die die gesellschaftlichen Debatten bereichern, sondern das öffentliche Praktizieren der philosophischen Kernkompetenzen: sich sprachlich präzise auszudrücken, Prämissen explizit zu machen und Argumente für und gegen die relevanten Positionen wohlwollend zu prüfen. Aus meiner Sicht kann die Philosophie auf diese Weise einen echten Beitrag für eine bessere Gesellschaft leisten!
 

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