Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Kirsten Meyer

Kirsten Meyer

Professorin für Praktische Philosophie und Didaktik der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin

Was waren Ihre ersten philosophischen Gedanken?

Neulich fand ich einen Zettel, auf den ich als Kind „Glük ist Glük“ geschrieben habe. Dieser Satz steht unter einem auf diesen Zettel geklebten dreiblättrigen Kleeblatt. Ein vierblättriges hatte ich offenbar nicht gefunden. Mit einem grünen Filzstift habe ich aber ein viertes Kleeblatt ergänzt. Dieses Glücks-Upgrade mit Filzstift war also geschummelt.

Ist eine Tautologie als Sinnspruch nicht etwas uninformativ?

Vielleicht wollte ich mit dem Satz „Glük ist Glük“ sagen, dass es dem Glück nicht abträglich ist, wenn es auf einer Täuschung basiert. Oder dass man sein Glück selbst in der Hand hat. Solche philosophischen Positionen zu Fragen des guten Lebens beschäftigen mich jedenfalls bis heute.

Was war Ihr erster Kontakt mit der Philosophie?

In meinem ersten Philosophieseminar ging es um Heidegger, Tillich und Zen-Buddhismus. Wir diskutierten in diesem Seminar aber keine Texte, sondern lauschten den Monologen des Dozenten, zu denen wir anschließend Protokolle erstellten. Außerdem setzten wir die so erworbenen Einsichten tänzerisch um. Dazu bewegten wir uns um einen in den Seminarraum geschleppten Birkenstamm herum. Mein erster Kontakt mit der Philosophie war also ziemlich schräg.

Könnten Sie jemanden küssen, der Philosophen für Schwätzer hält?

Hat die Person, die Philosophen für Schwätzer hält, dasselbe Philosophieseminar besucht wie ich in meinem ersten Semester? Dann auf jeden Fall. Küssen könnte ich auch Philosoph:innen, deren intellektuelle Bescheidenheit dazu führt, sich selbst lediglich für Schwätzer zu halten, obwohl sie es gewiss nicht sind.

Was ist Ihr Lieblingszitat?

Ich würde mir manchmal wünschen, dass auch Zweifel an der eigenen Position im öffentlichen Diskurs stärker geäußert würden. Mir gefallen in diesem Zusammenhang Bertrand Russells Überlegungen zum Wert der Philosophie. Er schreibt, dass die Philosophie zwar unser Gefühl der Gewissheit darüber vermindere, wie die Dinge liegen, aber zugleich viele Möglichkeiten aufzeige, wie sie liegen könnten. „Sie nimmt uns die etwas arrogante Gewissheit jener, die sich niemals im Bereich des befreienden Zweifels aufgehalten haben, und sie hält unsere Fähigkeit zum Staunen wach, indem sie uns vertraute Dinge von uns nicht vertrauten Seiten zeigt.“

Worauf kommt es Ihrer Ansicht nach besonders an, wenn man für die Öffentlichkeit schreibt?

Am Anfang steht die Überlegung, was man als Philosophin beitragen kann – wofür man also eine besondere Expertise hat und wo diese endet. Es ist dann durchaus herausfordernd, diese Expertise auf eine verständliche Weise in die öffentliche Debatte einzubringen.

Es eignet sich aber nicht Expertise zu beliebigen Themen für die Öffentlichkeit, oder?

Vielleicht nicht. Statt ein bestimmtes Thema zu erklären oder die eigene philosophische Position deutlich zu machen, kann es aber auch darum gehen, weiterführende Fragen zu stellen oder Debatten so zu strukturieren, dass sich diejenigen, die daran teilnehmen, darin besser zurechtfinden. Letzteres halte ich für besonders wichtig.

Was ich noch sagen wollte

Diejenigen akademischen Philosoph:innen, denen es ein Anliegen ist, die Philosophie stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, müssten ihr Herz eigentlich an die Lehramtsstudierenden verlieren. Diese Studierenden werden ja später Generationen von Schüler:innen unterrichten und ihnen philosophische Überlegungen nahebringen. Wer echten Impact will und das Glück hat, Lehramtsstudierende unterrichten zu dürfen, sollte daher alles dafür tun, das eigene philosophische Wissen und die eigenen Fähigkeiten an die Lehramtsstudierenden weiterzugeben.

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