Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Silvia Jonas

Silvia Jonas

Juniorprofessorin für Philosophie an der Universität Bamberg

Was ist Ihre erste Erinnerung an einen philosophischen Gedanken?

Mein erster philosophischer Gedanke war eine Frage: Ist mein Kinderzimmer auch noch da, wenn ich in der Schule bin und auch sonst niemand in der Nähe des Zimmers ist? Ich habe eine Zeitlang darüber nachgegrübelt, dass man diese Frage ja gar nicht beantworten kann, denn um sie zu beantworten, müsste ja jemand nachsehen, ob das Zimmer noch da ist. Die Frage hat mich fasziniert.

Warum sollte es denn allein Ihr Kinderzimmer sein, dessen Existenz vom Wahrgenommenwerden abhing?

Das habe ich mich seinerzeit nicht gefragt, glaube ich. Aber später, zu Studienzeiten, tauchte ein verwandter Gedanke auf, nämlich dass ich mir niemals sicher sein könne, dass die Menschen um mich herum tatsächlich existieren. Vielleicht war ich das einzige denkende Wesen und die Welt um mich herum nichts als Illusion? Diese nicht zu widerlegende Möglichkeit des Solipsismus hat mich lange Zeit tief beunruhigt.

Welches Thema erhält in der Philosophie zu wenig Aufmerksamkeit?

Der Hass. Es gibt zwar einige allgemeine Theorien der Emotionen, und auch Theorien zu bestimmten Emotionen wie z.B. der Liebe. Hass wurde jedoch bislang wenig behandelt. Angesichts einer immer hasserfüllter werdenden und kommunizierenden Gesellschaft wäre eine philosophische Auseinandersetzung mit der Natur des Hasses aus meiner Sicht wichtig.

Was würden Sie gern besser können?

Denken. Ich hätte gerne einen kreativeren, leistungsfähigeren, originelleren Geist, der mich schneller zu tieferen Erkenntnissen führt.

Was ist Ihre déformation professionnelle?

Manchmal fällt es mir schwer, Alltagsdiskussionen locker-flockig zu führen, weil wir alle in der Philosophie so auf Präzision getrimmt sind: Was genau meinst du denn mit XYZ? Kann man das überhaupt so definieren? Müsste man nicht eigentlich noch absurde Szenarien A, B und C mitdenken, um den logischen Raum voll ausgeschöpft zu haben? Und so weiter. Ich könnte mir vorstellen, dass andere eine Unterhaltung mit mir gelegentlich etwas mühsam finden.

Welche philosophische Auffassung/welche Theorie versetzt Sie in Rage?

Alle extrem relativistischen Theorien, egal ob in der Moralphilosophie, der Erkenntnistheorie oder der Ontologie. Ich empfinde sie als auf halbem Wege stehengebliebene Versuche, eine schwierige Frage zu beantworten.

Über welches Thema würden Sie gern einmal schreiben und warum haben Sie es bisher nicht getan?

Über die Einsamkeit. Ich würde gerne darüber schreiben, traue mich aber nicht. Es ist kein abstraktes Thema wie die Mathematik, das man bewundern, aber doch distanziert betrachten kann.

Welche:n Philosoph:in hätten Sie gerne privat gekannt?

Kurt Gödel. Ich hätte gern bei den Treffen des Wiener Kreises neben ihm gesessen, zusammen mit ihm still gelauscht und mich dann zu zweit bei einer Tasse Tee über das Gehörte ausgetauscht. Von Realist zu Realistin.

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