Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Petra Gehring

Petra Gehring

Professorin für Philosophie an der Technischen Universität Darmstadt

Was sind die größten Irrtümer über Philosophie als Beruf?

Da mach ich mich gleich mal unbeliebt: Die Annahme, das mit der Philosophie wäre als „Job“ zu machen – der Work-Life-Balance-Irrtum also. Zumindest, wer forschen, schreiben und philosophisch intervenieren (können) will, sollte sich auf Versinken, auf Marathonformate und auf „24/7“ einstellen. Immerhin: es winkt nichtentfremdete Arbeit.

Warum ist Philosophie so kompliziert?

Es geht im philosophischen Feld – ist es überhaupt eines? – zwar um die Dinge von dieser Welt, nicht aber allein um gesunden Menschenverstand. Es geht auch weniger darum, Probleme wegzuschaffen (zu „lösen“).

Sondern?

Es geht eher darum, Probleme klug anzureichern, zu reformulieren sowie nicht zuletzt darum, archiviertes Wissen ins Heute hinein zu holen, zu schärfen und erneu(er)t ins Spiel zu bringen. Die Antworten auf bereits verloren gegangene Fragen kennenzulernen (einschließlich dieser Fragen) verändert den Wirklichkeitswert der Gegenwart: vermeintlich Unverrückbares wird irritiert, ungekannte Relevanzmuster erweisen sich als wichtig. Und Gedanken, die vom Fremden herkommen, setzen am meisten Energie frei. So wird es mit dem Philosophieren nahezu zwangsläufig kompliziert. Erst einmal jedenfalls. Philosophische Sätze, die man veröffentlicht, sollten hingegen nicht allzu kompliziert sein.

Ist es immer gut, vernünftig zu sein?

I wo. Es sei denn, wir subsumieren auch Neugier, Witz, Takt, Schönheitssinn, Hingabe ans Begriffliche, Liebe zum Vergeblichen und Rauflust unter „Vernunft“. Nicht zu vergessen die sokratische Maxime, sich auch um den Preis des Todes öffentlich treu zu bleiben.

Ist es für Ihr Denken wichtig, verschiedene Sprachen zu sprechen?

Ja. Oder sagen wir vor allem: diese zu lesen und sich nach Kräften in deren jeweils unverwechselbarem Imaginärem zu bewegen. Sogenannte „tote“ Sprachen sprechen ja noch. Ich bin überzeugt von der Unübersetzbarkeit von vielem, was philosophisch auf elementare Weise wichtig ist. Monosprachliche Diskurse sind daher tendenziell arm, oft auch borniert. Im – historisch bedingt eurozentrischen – Fach Philosophie sollten daher mindestens alle involvierten europäischen Sprachen Wissenschaftssprachen sein.

Umfasst denn wenigstens der Ausdruck „Philosophie“ überall dasselbe?

Ich bin mir nicht sicher, dass man den gräzisierenden Eigennamen schlichtweg global auf Formen tradierter Weisheit und damit auf gewissermaßen auf alle Quellensprachen ausdehnen sollte. Mir kommt ein solcher Anspruch wie eine koloniale Geste vor. Ich halte das Unternehmen Philosophie für nicht-universal. Aber auch mit diesem Reflex habe ich mich schon unbeliebt gemacht.

Woran arbeiten Sie gerade?

An einem Begriffs- und einem Namensindex sowie einem Abkürzungsverzeichnis für mein nächstes Buch, das recht lang ausgefallen ist.

Wovon handelt denn das Buch?

Von der Entstehung der Bioethik in Deutschland. Zeitgeschichtliches wird rekonstruiert, aber ich hinterfrage auch das Paradigma der Ethik-Anwendung.

Könnten Sie eine Person küssen, die Philosophen für Schwätzer hält?

Selbstverständlich! Und wer weiß: Ob das nicht sogar bei ihr einen Sinneswandel bewirkt? So oder so: Wer Philosophen für verplaudert hält, mag Gründe für die Vorbehalte haben.

Was ich noch sagen wollte

… formuliere ich als Wunsch: Auch einer öffentlichen Philosophie möge es weniger um Personen gehen als besser um Themen, Texte, Thesen. Um die Sache(n). Und ums Argument.

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