Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Marie-Luisa Frick

Marie-Luisa Frick

Assoziierte Professorin an der Universität Innsbruck  

Was war ihr erster Kontakt zur Philosophie?

Der Lateinunterricht, in dem wir über antike Ethik und Staatsphilosophie lernten. Später im Philosophieunterricht habe ich entdeckt, dass es auch „moderne“ Philosophen gibt. Das erste philosophische Buch, das ich zur Gänze gelesen habe, war Arendts Vita Activa. Es hat mich als 16-Jährige auf vielen Ebenen angesprochen, gerade auch in seinen gesellschaftskritischen Aspekten. Ich habe die Welt danach mit Arendt etwas anders zu sehen begonnen und wenn es nur die Sensibilität für den Wert konsumfreier öffentlichen Räume war, die ich auf Interrailreisen entwickelt habe. 

Was ist Ihre Definition von Philosophie?

Klar sehen durch Denken. 

Was können wir aus der Philosophiegeschichte lernen?

Wie verschieden Menschen über dieselben, ewigen Fragen nachdenken und wie dankbar wir dafür sein müssen, dass diese Vielstimmigkeit uns mehr als einen Weg des Denkens aufzeigt. Lernen können wir aus der Philosophiegeschichte nicht nur den Wert von Pluralität oder auch die reale Möglichkeit von rationalem Dissens, sondern auch, wie abhängig philosophisches Denken von gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Verhältnissen ist. Es ist nicht angenehm für Philosophen, die zeitlose Wahrheiten aufzufinden sich anschicken, einzugestehen, dass sie immer auch Kinder ihres Zeitalters sind. Es ist aber ein ungeheuer wichtiger Reflexionsanstoß. 

Welcher Ihrer Texte liegt Ihnen besonders am Herzen?

Meine Habilitationsschrift. Ich hatte Jahre für dieses Projekt, was mir heute als unglaublicher Luxus erscheint. Aber ich hatte im Rahmen meiner Qualifizierungsstelle auch eine harte Deadline und war am Ende geschafft; meine Freunde kennen die Anekdoten zu diversen Verschleißerscheinungen damals. Diese Schrift und ihre Publikation erinnern mich auch an die Orte auf drei Kontinenten, an denen sie entstanden ist und an Begegnungen mit vielen wunderbaren Menschen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft.   

Was würden Sie gern besser können?

Mehr Fremdsprechen beherrschen, allen voran alte und orientalische. 

Ist die Philosophie eine Wissenschaft?

Wenn wir uns von der Binarität Wissenschaft/Nicht-Wissenschaft hin zu einer graduellen Stufung bewegen, was mir auch mit Blick auf andere Disziplinen sinnvoll erscheint, sind gewisse Unterbereiche der Philosophie tendenziell mehr und andere weniger wissenschaftlich. Am einen Ende stehen Bereiche der theoretischen Philosophie, aber auch die Philosophiegeschichte, die man nach strenger historischer Methodik betreiben kann, am anderen Ende die normative Ethik oder auch die Politische Philosophie. Im Einzelfall kann der Grad an Wissenschaftlichkeit in solchen Bereichen der praktischen Philosophie aber gesteigert werden, indem man den Unterschied zwischen Beschreiben und Bewerten sichtbar macht und für Sollenssätze stets Wertungsbedingungen angibt, unter denen sie gelten. 

Was ist Ihre déformation professionnelle?

Dass ich auf non-sequitur Schlüsse allergisch reagiere, wo immer sie mir auffallen. Zum Glück bin ich aber ein zurückhaltender Charakter und habe hoffentlich noch nicht jenes Stadium erreicht, in dem man zur Oberlehrerin wird. 

Wenn Sie ein zweites Leben hätten, in dem es keine Philosophie gäbe, was würden Sie damit anfangen?

Es gehört nicht allein zu meiner déformation professionnelle, dass ich mir ein solches Leben nicht vorstellen kann. Ist nicht jedes menschliche Leben immer schon Heimstatt für Philosophie? Ich müsste also ein nicht-menschliches Wesen sein in diesem Gedankenspiel. Wahrscheinlich würde ich ein solches Leben dazu verwenden, Glückserfahrungen anzusammeln, nichts weiter. Und tun, was immer auch andere tun oder mir vorgeben. Eine schön-gruselige Vorstellung!
 

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