Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Kristina Lepold

Kristina Lepold

Juniorprofessorin für Sozialphilosophie/Kritische Theorie in der Humboldt-Universität zu Berlin

Was war Ihr erster Kontakt mit der Philosophie?

Mit der akademischen Philosophie bei einem Tag der offenen Tür kurz vor dem Abitur. Ich habe mich dann allerdings erstmal anders orientiert und Politikwissenschaft und VWL sowie Soziologie studiert. Erst zur Promotion bin ich wieder zur Philosophie gekommen. Ich hatte zwar in der Schule ein ziemlich großes Interesse an Philosophie, aber habe damals nie ernsthafter in Erwägung gezogen, dass Philosophie etwas ist, das ich studieren könnte. Jener Tag der offenen Tür hat dabei nicht geholfen, ich habe mich ziemlich fehl am Platz gefühlt. Auch deshalb bin ich sehr motiviert, die akademische Philosophie zugänglicher und inklusiver zu machen.

Woran arbeiten Sie gerade?

Unter anderem daran zu verstehen, was genau struktureller Rassismus ist. Wenn wir an Rassismus denken, denken wir häufig an einzelne Personen, die rassistische Dinge sagen oder deren Rassismus sich im praktischen Umgang mit anderen Menschen zeigt. Zweifelsohne gibt es individuellen Rassismus, aber wenn wir wirklich etwas verändern wollen, müssen wir verstehen, wie Rassismus gesellschaftlich verankert ist und funktioniert.

Welches Thema erhält in der Philosophie zu wenig Aufmerksamkeit?

Fragen von race und Rassismus haben in der deutschsprachigen Philosophie insgesamt bislang zu wenig Aufmerksamkeit erfahren. Natürlich hat es auch bisher schon Leute mit philosophischer Ausbildung gegeben, die sich für diese Fragen interessiert und dazu gearbeitet haben, aber in der Breite, sowohl was die Forschung als auch die Lehre an Philosophieinstituten betrifft, gibt es hier großen Nachholbedarf. Erfreulicherweise tut sich aktuell einiges. Zum Beispiel organisieren Leda Berio, Daniel James-Țurcaș und Benedict Kenyah-Damptey schon seit einiger Zeit das Düsseldorf Colloquium on the Philosophy of Race und bringen auf diese Weise Leute zusammen, die zu diesen Fragen arbeiten.

Welche:r Philosoph:in sollte mehr gelesen werden?

Ich muss bei der Frage sofort an den im vergangenen Jahr verstorbenen Charles W. Mills denken, der zwar in den letzten zwei Jahrzehnten schon viele Leser:innen gefunden hat, der aber gerade in der deutschsprachigen Philosophie noch mehr gelesen werden könnte, weil er ein Philosoph ist, der auf konkrete gesellschaftliche Verhältnisse reflektiert. So toll die Idee hinter John Rawls’ Eine Theorie der Gerechtigkeit ist: wie wäre es, wenn Kurse in politischer Philosophie stattdessen mit The Racial Contract von Mills begännen, in dem dieser nicht wie Rawls idealtheoretisch Prinzipien der Gerechtigkeit entwirft, sondern die tatsächlich stattfindende systematische Benachteiligung nicht-weißer Menschen in unseren Gesellschaften analysiert?

Worüber würden Sie gern einmal schreiben und warum haben Sie es bisher nicht getan?

Über die Frage von Werten in der Wissenschaft und spezifischer auch in der Philosophie. Bislang hat mich vor allem akuter Zeitmangel davon abgehalten.

Welchen Gegenstand, der nicht dem physischen Überleben dient, würden Sie mit auf die Robinsoninsel nehmen?

Ein Notizbuch wäre sicher eine gute Wahl. Es könnte aber sein, dass ich mich am Ende doch ganz einfach für meine Sonnenbrille entscheide.
 

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