Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Christian Neuhäuser

Christian Neuhäuser

Professor für politische Philosophie an der TU Dortmund

Welcher philosophische Text hat Ihr Leben verändert?

Gern würde ich sagen „Also sprach Zarathustra“. Das Buch habe ich in der Oberstufe „gelesen“. Aber in Wahrheit hatte ich nichts verstanden. Tatsächlich war es erst „Politik der Würde“ von Avishai Margalit während der Doktorarbeit. Dadurch habe ich mein philosophisches Grundthema gefunden.

Was würden Sie gern besser können?

Singen. Schon in der Grundschule wurde mir die Triangel zum Ersatz überreicht. Leider habe ich auch kein Rhythmusgefühl.

Welches Thema erhält in der Philosophie zu wenig Aufmerksamkeit?

Philosophie beschäftigt sich zum Glück mit sehr vielen wichtigen Fragen. Ich würde jedoch denken, dass wir ein Problem viel ernster nehmen sollten: Warum spielen gute philosophische Argumente in der öffentlichen Diskussion oft keine oder so gut wie keine Rolle?

Was stört Sie an der akademischen Philosophie?

Da sind zwei Dinge. Erstens ist die akademische Philosophie nicht annährend so divers, wie sie sein könnte und sollte. Ideal wäre ein Abbild der Vielfalt der Gesellschaft. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber zum Glück setzen sich immer mehr Philosoph:innen dafür ein. Zweitens herrscht immer noch ein ziemlich unnötiger intellektueller Snobismus.

Was ist die gesellschaftliche Rolle der Philosophie?

Philosophie hat sicher viele Rollen zu spielen. Ganz fraglos geht es darum, bessere Antworten auf letzte Fragen zu finden, also die großen Fragen des Lebens. Darüber hinaus sollte Philosophie einzelnen Menschen auch dabei helfen, ihre individuellen Leben und das Zusammenleben besser zu meistern. Hier könnte die akademische Philosophie durchaus mehr leisten.

Warum schreiben Sie für die außerakademische Öffentlichkeit?

Letztlich sehe ich akademische Philosophie auch als eine Art öffentlicher Dienstleistung. Akademische Philosoph:innen denken sehr umfassend über grundlegende Fragen nach und bieten denjenigen Menschen mögliche Antworten an, die keine Zeit haben, sich ständig damit zu beschäftigen. Damit das klappt, müssen akademische Philosoph:innen aber auch eine breite Öffentlichkeit adressieren, und zwar auf eine verständliche und eingängige Art und Weise.

Ist die Philosophie eine Wissenschaft?

Meiner Ansicht nach strebt die Philosophie auf systematische und methodisch strenge Weise nach Wissen in begrifflichen und normativen Fragen. Das macht sie zu einer Wissenschaft, auch wenn sich dieses Wissen nicht vollständig auf empirische Weise überprüfen lässt.

Welche philosophische Auffassung/welche Theorie versetzt Sie in Rage?

Der politisch rechte Libertarianismus. Diese Position halte ich für bloße Ideologie im schlechten Sinne, für die noch nie auch nur die Spur einer argumentativen Begründung geliefert wurde.

Über welches Thema würden Sie gern einmal schreiben und warum haben Sie es bisher nicht getan?

Wenn ich viel Zeit hätte, dann würde ich über Rache schreiben. Einerseits lautet der öffentliche Konsens, dass Rache unzivilisiert und barbarisch ist. Andererseits stellen sehr viele Filme und Romane gerade individuelle Rache sehr positiv dar. Mich interessiert die Frage, welche Rolle dieses Interesse an und die vielleicht verbreitete positive Bewertung von Rache für Sozial- und Moralphilosophie spielt.

Was ich noch sagen wollte:

Akademische Philosophie muss nicht nur öffentlicher, sondern auch demokratischer werden. Damit meine ich natürlich nicht, dass philosophische Fragen mit demokratischen Abstimmungen entschieden werden. Vielmehr meine ich, dass die Fragen, Interessen und Überzeugungen des demos in seiner ganzen Vielfalt systematisch in philosophische Forschung einbezogen werden müssen.

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