Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Amrei Bahr

Amrei Bahr

Juniorprofessorin für Philosophie an der Universität Stuttgart

Woran arbeiten Sie gerade?

In den letzten Jahren habe ich viel Wissenschaftskommunikation gemacht: Twitter, Vorträge, Blogbeiträge und Podcasts – solche Formate habe ich genutzt, um mich mit philosophischen Inhalten an die Öffentlichkeit zu wenden. Jetzt reflektiere ich das Thema Wissenschaftskommunikation auch aus einer philosophischen Metaperspektive: Gemeinsam mit dem Journalismusforscher Holger Wormer entwickle ich gerade eine Ethik der Wissenschaftskommunikation. Da geht es unter anderem um Fragen wie: Gibt es eine moralische Pflicht zur Wissenschaftskommunikation für alle Wissenschaftler_innen? Oder: Dürfen sich Wissenschaftskommunikation und politischer Aktivismus vermischen?

Welcher Ihrer Texte liegt Ihnen besonders am Herzen?

Zuletzt mein Beitrag im Politischen Feuilleton des Deutschlandfunks. Da geht es darum, dass Anliegen verschiedener Gruppen und Personen in unserer Gesellschaft oft gegeneinander in Konkurrenz geschickt werden. Aber ist ein feministisches Anliegen wichtiger als das einer Gruppe, die sich gegen Klassismus wendet? Die Antwort scheint mir klar zu sein: Beide sind wichtig! Häufig wird so ein Vergleich allerdings zum Anlass genommen um zu sagen: Anderen geht es noch schlechter als Euch – deshalb stellt Euch mal nicht so an. Auf diese Weise werden viele berechtigte Anliegen vorschnell zurückgewiesen, statt sie für sich genommen zu würdigen und darauf einzugehen. Anstelle eines solchen Unterbietungswettbewerbs sollten wir lieber über Mindeststandards für ein möglichst gutes Leben und Arbeiten diskutieren, die allen zugute kommen!

Warum schreiben Sie für die außerakademische Öffentlichkeit?

Für mich ist Wissenschaft keine Angelegenheit, die sich allein in akademischen Kontexten abspielen sollte. Das wäre auch gar nicht möglich. Wissenschaft ist Teil der Gesellschaft, nimmt Impulse aus der Öffentlichkeit auf und sollte dafür auch etwas zurückgeben. Wissenschaftskommunikation ist neben Forschung und Lehre eine weitere Form, das zu tun – und eine, an der ich großen Spaß habe und die ich persönlich sehr bereichernd finde.

Was ist die gesellschaftliche Rolle der Philosophie?

Viele Themen, die unsere Gesellschaft umtreiben, sind Gegenstand philosophischer Debatten. Gesellschaftliche und philosophische Debatten zu verknüpfen, kann für beide Seiten sehr gewinnbringend sein. Philosophie hat das Potenzial, bestimmte Probleme – wie zum Beispiel Interessenkonflikte zwischen Urheber_innen und Nutzer_innen von Kunstwerken – besser verständlich zu machen, Diskussionen zu ordnen und Argumente auf ihre Güte hin zu prüfen. Das ist auch außerhalb der akademischen Philosophie hilfreich.

Was stört Sie an der akademischen Philosophie?

Viele akademische Philosoph_innen blicken zu Recht sorgenvoll auf die öffentliche Wahrnehmung unseres Fachs. Ich teile diese Sorge – allerdings braucht es für eine angemessene öffentliche Wahrnehmung der Philosophie eben auch Fachphilosoph_innen, die die Disziplin in der Öffentlichkeit vertreten. Wissenschaftskommunikation muss dann aber auch als gleichberechtigte Tätigkeit ernstgenommen und angemessen gewürdigt werden – sie ist kein exzentrisches Hobby. Inmitten der allgemeinen Anforderungsinflation aus Publizieren, Lehren, Drittmitteleinwerbung, Administration, Gremientätigkeit usw., die Wissenschaftler_innen ohnehin bereits an ihre Grenzen bringt, kann sie nicht einfach noch verpflichtend obendrauf kommen.

Wie könnte eine solche Würdigung aussehen?

Hochschulen und Forschungseinrichtungen dürfen nicht einfach nur fordern, dass ihre Mitglieder öffentlich kommunizieren. Sie müssen jene, die das tun, unterstützen – etwa im Falle öffentlicher Angriffe. Und in Bewerbungs- und Berufungsverfahren darf denen, die sich für Wissenschaftskommunikation engagieren, auch kein Strick daraus gedreht werden, wenn sie deshalb einen wissenschaftlichen Aufsatz weniger schreiben.

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