Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Ursula Renz

Ursula Renz

Professorin für Philosophiegeschichte an der Universität Graz  

Welcher philosophische Text hat Ihr Leben verändert? 

Das tun zum Glück sehr viele, aber bisweilen so langsam, dass ich es erst im Nachhinein bemerke.

Was würden Sie gern besser können? 

Klavierspielen; dumme Sprüche parieren; schweigen.

Welches philosophische Problem können Menschen nicht lösen? 

Viele Probleme – in der Philosophie und im Leben – sind nicht von der Art, dass man sie lösen könnte. Diese Probleme sollte man nicht zu lösen, sondern zu verstehen suchen. Warum beispielsweise können wir durch tugendhaftes Handeln unser Glück nicht verdienen, sondern uns – mit Kant zu sprechen – höchstens als glückswürdig erweisen? Philosophie kann helfen, sich angemessen zu diesem Problem zu verhalten, aber sie wird es nicht lösen können. 

Wie halten Sie es mit der Religion? 

Vermutlich bin ich religiös nicht ganz unmusikalisch. Aber dank der Philosophie bin ich in meinem Denken auf einen methodischen Atheismus verpflichtet, unabhängig davon, wie ich es mit der Religion halte. Was ich dadurch begreife, ist wichtiger, als was ich letzten Endes glaube. 

Was stört Sie an der akademischen Philosophie? 

Der Mangel an jenem Esprit, den ich in außerakademischen Traditionen der Philosophie finde. Doch Esprit gehört nicht zu bestverteilten Gütern dieser Welt und deshalb ist es wichtig, dass sich die akademische Philosophie an wissenschaftlichen Methoden und Standards orientiert. 

Wenn Sie ein zweites Leben hätten, in dem es keine Philosophie gäbe, was würden Sie damit anfangen?

Gewisse Fragen stellen sich in meinem Alter nicht mehr. Zum Beispiel diese.

Warum ist Philosophie so schwierig?

Die Schwierigkeit von Philosophie ist meist der Komplexität ihres jeweiligen Gegenstands angemessen. 

Warum schreiben Sie für die außerakademische Öffentlichkeit? 

Weil ich in Klassikern oft auf Überlegungen stoße, die für heutige Fragen relevant sind. Oder weil ich Phänomene des öffentlichen Lebens aufgrund meines Backgrounds in einer Weise auf Begriffe bringe, wie ich das nirgendwo lese oder höre. Dieses Verständnis zu vermitteln – und so zwar so, dass das Gegenüber die Chance hat, nachzuvollziehen, was ich meine –, macht mir Spaß. Zudem ist diese Vermittlung auch eine Aufgabe der akademischen Philosophie.

Worauf kommt es Ihrer Ansicht nach besonders an, wenn man für die Öffentlichkeit schreibt? 

Dass Begründungen gegeben und Differenzierungen gemacht und eingefordert werden. Vor allen letzteres wird von den Medien nicht immer geschätzt. Doch für Philosoph*innen mit akademischen Positionen ist es meines Erachtens eine Frage der intellektuellen Redlichkeit, dass sie ein gewisses Level an Differenziertheit nicht unterschreiten.

Welche philosophische Auffassung, von der Sie einmal überzeugt waren, haben Sie aufgegeben? 

Ich hielt den doxastischen Voluntarismus – die Position, dass wir entscheiden können, was wir glauben – lange für so absurd, dass ich ihn auch hypothetisch kaum ernst nehmen konnte. Jüngere Entwicklungen haben mich eines andern belehrt. Viele Menschen scheinen mindestens in manchen Belangen zu glauben, was sie glauben wollen. Damit müssen wir uns befassen. Die Erkenntnistheorien der frühen Neuzeit taten das unter anderem anhand von voluntaristischen Modellen der Urteilsbildung. Überhaupt ist viel, was Philosoph*innen der Frühen Neuzeit vor dem Hintergrund der Verwerfungen der Religions- respektive Konfessionskriege und anderer krisenhafter Entwicklungen geschrieben haben, höchst aufschlussreich für das Verständnis der heutigen Zeit.

Was ich noch sagen wollte . . .

ist sicher irgendwo schon gesagt worden. 
 

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