Was ich noch sagen wollte

PhilPublica stellt vor

Titelbild: Gottfried Schweiger

Gottfried Schweiger

Senior Scientist am Zentrum für Ethik und Armutsforschung an der Universität Salzburg.

Welcher philosophische Text hat Ihr Leben verändert?

Ganz wichtig war für mich Ernst Blochs Prinzip Hoffnung, das ich aber seit über 20 Jahren nicht mehr gelesen habe. Damals wurde mir klar: Ohne die konkrete Utopie einer besseren und gerechteren Welt wäre doch alles sehr viel trüber. Und es ist gut, zu hoffen.

Woran arbeiten Sie gerade?

Seit fast drei Jahren versuche ich, mein Buch über globale Gerechtigkeit für Kinder fertigzuschreiben, aber es kommt immer etwas dazwischen. Mittlerweile interessiere ich mich mehr für die Phase der Jugend, zum Beispiel für die Fragen, welche Rechte und Pflichten Jugendliche haben sollten oder was eine Jugend gut macht. Oft mit einem Seitenblick auf marginalisierte und benachteiligte Lebenslagen, wie Obdachlosigkeit.

Sie sind auch als Organisator und Herausgeber sehr aktiv.

Ja, das ist mir seit einiger Zeit sogar wichtiger als solche inhaltlichen Fragen: Projekte wie die Herausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie, die Tagung für Praktische Philosophie oder der Philosophieblog praefaktisch.de. Weil es hier darum geht, Formate und Foren zu schaffen und zu betreuen, die versuchen, in mancher Hinsicht neue Wege zu gehen. Die Zeitschrift ist eine der ganz wenigen verlagsunabhängigen Open Access-Publikationen im deutschsprachigen Raum – leider noch immer, muss ich nach zehn Jahren sagen, weil es mehr davon geben sollte. Und die Tagung, die wir 2013 ins Leben gerufen haben, um zusätzlich zu den großen Tagungen von DGPhil und GAP einen Ort für den jährlichen Austausch innerhalb der praktischen Philosophie zu schaffen, explizit auch für jüngere Kolleg:innen, ist so gewachsen, dass wir sie in Salzburg nun nicht mehr stemmen konnten. Sie wird, glücklicherweise, ab 2024 an der Universität Passau unter der Leitung von Karoline Reinhardt und unter viel besseren Bedingungen weitergeführt. Solche Projekte kosten viel Zeit und Ressourcen und sind vielleicht weniger sichtbar als eine Fachpublikation mit dem eigenen Namen drauf.

Wann wird Ihnen ein Gespräch zu „unphilosophisch”?

Ich habe eher ein Problem damit, dass manche private Gespräche mit Philosoph:innen schnell zu „philosophisch” werden und sich in akademische Debatten verwandeln. Das ist sicherlich auch einer gewissen Déformation professionnelle geschuldet, die auch ich habe. Zum Glück passiert das aber nicht sehr oft, vielleicht da ich in meinem Freundeskreis nur ganz wenige Philosoph:innen habe. Die sagen mir dann, wir sind jetzt nicht im Seminar oder auf einer Tagung.

Warum schreiben Sie für die außerakademische Öffentlichkeit?

Ich denke, es gehört zum öffentlichen Auftrag der akademischen Philosophie, sich aus der Universität heraus zu bewegen, Menschen zu vermitteln, was wir da, durch Steuergelder finanziert, eigentlich machen und auch, sich politisch einzumischen. Ein weiterer Grund ist, dass es mir persönlich viel Spaß macht. Ich sehe öffentliche Philosophie aber nicht unkritisch. Auch hier greifen Mechanismen der Exklusion und Marginalisierung und es geht um Macht, Status und Prestige. Wer hat Zugang zu welchen Kanälen, um die Öffentlichkeit zu erreichen?

Welche Musik soll auf Ihrer Beerdigung gespielt werden?

Das “Bundeslied” nach Georg Herwegh zur Aufmunterung der Gäste und zum Schluss “Here I go Again” von Whitesnake, weil es auf bestimmte Art und Weise meinen Lebensweg zum Ausdruck bringt. Dazwischen gern was von MANOWAR, Hannes Wader und Normahl. Hauptsache, es ist eine gute Stimmung.

Könnten Sie jemanden küssen, der Philosoph:innen für Schwätzer hält?

Ich glaube, ich habe noch nie jemanden geküsst, der nicht dieser Meinung wäre, und werde das so beibehalten.

Was ich noch sagen wollte.

Ich mag vieles an der akademischen Philosophie, am Wissenschaftsbetrieb und es gibt da viele kluge, engagierte und sehr nette Leute. Dennoch würd ich mir wünschen, es gäbe weniger Leistungsdruck, Exzellenzorientierung und Konkurrenzdenken, und auch weniger toxische Männlichkeit und Machtverhältnisse. Das zu ändern, da können und sollten wir alle dazu beitragen.

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